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Das Gefühl, eine Entscheidung getroffen zu haben, ist - überspitzt ausgedrückt - Einbildung. Das was wir erfahren, ist nichts als eine nachträgliche Begründung von Zustandsveränderungen, die ohnehin erfolgt wären. Noch überspitzter gesagt, wir sind die letzten, die erfahren, was unser Gehirn vorhat.

Ich weiß, dass sich genau 350 Millisekunden später das Gefühl von Absicht einstellt. Also, male und zeichne ich, lasse mich treiben, frei nach dem Motto von Gerhard Richter: "Meine Bilder sind klüger als ich". Das erkennt man erst nach vielen Jahren künstlerischer Arbeit. Ich habe angefangen, mich durch meine Bilder besser zu verstehen.

 

"Einfach anfangen!" ist mein Motto geworden. Dadurch entstehen Spuren, Strukturen, Variationen, Serien.

 

Die Formung beginnt durch Grundieren, Wegnehmen, Dazugeben, Übermalen, Drehen, Knicken, Farbveränderungen, Wiederholungen. Bewegung entsteht, die zur Suche nach Ordnungen strebt: Wahrnehmungsmuster, feste Gewohnheiten, Erstarrungen. Dieser Rhythmus gedanklicher Art eröffnet neue Blickwinkel: freie Variationsmöglichkeiten, Gedanken, die nur vorläufige Antworten erlauben. Ich will nichts planen: Kann Rhythmus Ornament erzeugen?

 

Die Ausdeutung der Formbildungen und subjektive Deutungsmuster bestimmen den Produktions- aber auch den Rezeptionsprozess. Materialreize bieten Erfahrungs- und Erkenntnischancen, Zufälle und Störungen. Das Wechselspiel von Idee, Zufall und Hervorbringung, von Materialspuren, die Assoziationen auslösen, Erinnerungen anstoßen und die Bildfindung weitertreiben, das Suchen und Finden von Formen sind Faktoren, die den prozessualen Charakter der Bildgenese bestimmen. Das Material ist kommunikativer Faktor im ästhetischen Prozess, d. h. materielle Bedingungen wirken im Produktionsprozess als sinnstiftendes Element, was Identitätsbildung und Erkenntnisgewinn ermöglicht.

Ulrike Springer ist per Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!zu erreichen.